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"Wir sind auch in der Krise flexibel"

Dachser ist weltweit aktiv.

Die internationale Wochenzeitung Verkehr befragte Günter Hirschbeck, Geschäftsführer von DACHSER Austria, wie sich die Corona-Krise auf das Segment der Branchenlogistik bei DACHSER auswirkt.

Welche Auswirkungen hat Corona auf Ihr Business?

Dachser ist in 44 Ländern aktiv, ausnahmslos alle sind von der Corona-Pandemie betroffen, die die weltweiten Warenströme in bisher nicht gekannter Weise getroffen hat. Die Folgen sind noch gar nicht abzusehen. Aber eines stand und steht für uns fest: Jenseits der Planbarkeit sind robuste Lieferketten besonders wertvoll. Weltweit unterschiedliche politische Entscheidungen verändern dabei die Lage jeden Tag – nicht immer zum Einfacheren. Und auch in der zweiten Jahreshälfte ist die Corona-Pandemie immer noch das vorherrschende Thema. Mengenrückgänge im Industriegütergeschäft waren angesichts der Einschränkungen des Geschäftslebens im Frühjahr unvermeidbar. Aber dank der guten Steuerungsmöglichkeiten in unserem Netzwerk sind wir auch in der Krise flexibel, was die Anpassungen in der Verkehrs- und Plattformorganisation sowie in der Reduktion der Linienverkehre anbelangt. Dass wir in European Logistics breit aufgestellt sind und eine Vielzahl an Kunden und Branchen bedienen, schafft uns Gestaltungsfreiräume entsprechend der jeweiligen Rahmenbedingungen.

Welche Maßnahmen haben Sie im Sinne eines Krisenmanagements gesetzt?

Die Gesundheit unserer Mitarbeiter hat höchste Priorität. Wir haben einen Landes-Krisenstab gebildet, der das Unternehmen und die Belegschaft durch die schwierige Phase führt. Unsere Entscheidungen müssen kontinuierlich angepasst werden. Das A und O sind Präventions- und Hygienemaßnahmen. Je nach Aufgabengebiet setzen wir auf mobiles Arbeiten, Homeoffice sowie auf im Wochenrhythmus alternierende Teams. Auch die Digitalisierung ist diesbezüglich zu nennen. Ein einheitliches IT-System und Regelwerk bestimmen die Prozesse in allen unseren Logistikstandorten und denen unserer Partner weltweit. Aktuell wickeln wir über 90 Prozent aller Speditionsaufträge elektronisch ab. Ebenfalls war die Zusammenarbeit mit Transportunternehmern im European-Logistics-Netzwerk ein wichtiger Punkt. Als die ungarische Regierung im März die Grenzen für den Personenverkehr schloss, waren davon auch die dringend benötigten Lkw-Fahrer betroffen. Kurzerhand buchten wir „unsere“ Fahrer in Hotels auf unsere Kosten ein. So konnten wir unsere wichtigsten Linien am Laufen halten. Wir haben dabei versucht, die Kapazitäten so auszubalancieren, dass jeder Unternehmer zu einer Basis-Auslastung kam.

Wie hat sich Corona auf den Branchenmix ausgewirkt – Gewinner/Verlierer?

Es liegt auf der Hand: Wenn Reisen unmöglich, Geschäfte geschlossen und öffentliches Leben heruntergefahren werden, trifft das einige Branchen hart. Die Ersten, die die Auswirkungen zu spüren bekamen, waren die Branchen Handel, Tourismus und Transport. Es kamen abgesagte Messen, Kongresse und Großveranstaltungen dazu, nicht nur hierzulande – die Messe- und Veranstaltungsbranche weltweit war betroffen, weil auch der internationale Austausch ausgesetzt wurde. Die Auswirkungen gehen aber deutlich über die primär erkennbaren Branchen hinaus. In einer KSV1870 Umfrage, nur drei Monate nach dem Shutdown, sind lediglich nur 6% der befragten Unternehmen NICHT von der Corona-Krise betroffen. Vor allem die Unternehmen mit internationalem Geschäft sind dabei besonders betroffen: Wenn nämlich weltweite Lieferketten nicht mehr stabil sind, Vorprodukte nicht mehr produziert werden und Mitarbeiter für Montage und Wartung nicht mehr reisen dürfen, wird die international so eng verflochtene Wirtschaft schnell empfindlich gestört. 

Doch es gibt auch Gewinner. Der Branchenverband Bitkom geht davon aus, dass die Digitalisierung einen massiven Auftrieb erfahren wird. Start-ups feilen an digitalen Lösungen für die Herausforderungen im Alltag mit dem Coronavirus. An der Börse verzeichnen Biotech- und Medizintechnikunternehmen deutliche Kursgewinne. Auch wenn viele einen starken Anstieg des Onlinehandels erwartet hätten – schließlich fielen viele andere Vertriebswege weg – sind es nur einzelne E-Commerce- Unternehmen, deren Kurs deutlich steigt; bspw. Kochseiten, Baumärkte oder das Unternehmen TeamViewer, das die Fernsteuerung von Systemen ermöglicht.

Ich möchte noch einmal auf das Thema Lieferketten zurückkommen: Die Krise hat Eines gezeigt: Es sind nicht nur einzelne Länder, nicht nur einzelne Zielmärkte betroffen. Einseitige Abhängigkeiten bei Lieferketten aus einzelnen Ländern sind schnell störanfällig und können abrupt wegbrechen. Die Lieferketten sind im Umbruch. Viele Unternehmen denken darüber nach, zumindest Teile der Produktion wieder näher an die Absatzmärkte zu holen. Die Covid-19-Pandemie ist dafür nicht der alleinige Grund, sie wirkt als Beschleuniger. Demnach sehen sich derzeit fast 40% der Unternehmen nach neuen, nähergelegenen Lieferanten um. Dabei ist eine komplette Nationalisierung oder Regionalisierung genauso suboptimal oder risikoreich wie sämtliche Produkte aus einem Land zu beziehen.

Interview with: Günter Hirschbeck

Managing Director European Logistics Austria

Logistik hat durch Corona an Aufmerksamkeit und Bekanntheit gewonnen. Sehen Sie dadurch Auswirkungen bei der Berufswahl für Jugendliche?

Stimmt. In der Krise sind neben Ärzten, Pflegepersonal und Supermarkt-Personal verstärkt LKW-Fahrer und die Logistics Operative, die Mitarbeiter im Umschlag und Warehouse, in den Fokus der Wahrnehmung gerückt. Ohne Menschen geht nichts. Der Mensch ist und bleibt dabei der Schlüssel zum Erfolg und unsere Werte geben uns Orientierung und Stabilität. Die aufgrund der Krise geringere Arbeitskräftenachfrage führt nur in wenigen Fachrichtungen (wie etwa in der IT-Branche) zu einer Entschärfung des potenziellen Fachkräftemangels. Der Fachkräftemangel wird trotz Corona in den meisten Branchen erhalten bleiben. Was aber interessant ist: Viele fragen sich gerade, ob sie in ihrem Job wirklich glücklich sind. Das ist eine Chance für Dachser, um als Arbeitgeber zu punkten. Wenn es um das Thema Ausbildung in der Corona-Krise geht, sind ausbildungsinteressierte Jugendliche, deren Eltern und Lehrer gleichermaßen verunsichert. 

Dachser setzt seit Jahren auf die Ausbildung. Der Corona-Krise zum Trotz starteten letzten Monat deutschlandweit knapp 630 junge Menschen mit Dachser ins Berufsleben. In Österreich fiel der Startschuss ins Berufsleben für rund 30 Nachwuchslogistiker. Insgesamt befinden sich an unseren österreichischen Standorten, beder Gesellschaften, aktuell rund 70 junge Menschen in Lehrausbildung. Ein Teil unserer Unternehmenskultur ist es, die nächste Generation als wertvolle und motivierte Mitarbeiter auszubilden und anschließend langfristig zu beschäftigen. Heuer verlief das Recruiting jedoch anders als gewohnt. Wegfall der Jugend- und Berufsmessen, aufgrund der Hygienekonzepte fanden auch keine Schnuppertage statt und Interviews wurden kurzerhand digital geführt. Bei der Berufswahl spielen Eltern eine entscheidende Rolle. Sie „schlüpfen“ dabei in verschiedene Rollen: Motivator, Tröster, Begleiter, Coach und Vertraute und werden als wichtigste Stütze in diesem entscheidenden Prozess angesehen. Sie sind häufig eine oder sogar die wichtigste Informationsquelle bei der Berufsorientierung. 

Seit Jahren bestehen mittlerweile sehr freundschaftliche Kooperationen mit Schulen wie bspw. mit der Poly in Himberg oder in Schwaz in Tirol. Dank dieser Zusammenarbeit können wir unsere ausgeschriebenen Lehrstellen gut besetzen. Wir konnten aber einen kleinen Anstieg an Initiativbewerbungen wahrnehmen. Nicht immer führte dies auf die verstärkte Präsenz in den Medien zurück, oftmals lag der Grund in der Auflösung bereits geschlossener Lehrverträge wegen der Corona-Krise.

Welche Zukunftsprojekte werden Sie umsetzen, welche sind durch Corona auf der Strecke geblieben? Was ist da Ihr Fokus?

Uns bewegen eine ganze Reihe von Themen, die wir für die Zukunft unseres Unternehmens als essenziell erachten. Wir haben eine zentrale Organisationseinheit ‚Corporate Solutions, Research & Development‘ geschaffen, die die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bündelt. Außerdem haben wir eine Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund.

Wir sehen vor allem die beiden Zukunftstechnologien LPWAN und Machine Learning im Fokus. Aber auch das Thema Digitalisierung ist für Dachser mehr als ein Trendthema. Digitalisierung ist für Dachser ein evolutionärer Prozess, der schon seit über drei Jahrzehnten Teil der Unternehmensstrategie ist. Nahezu jeden Meilenstein der Digitalisierung in der Logistik hat Dachser aktiv mitgestaltet. Dazu zählen u.a. die Entwicklung eigener, prozessoptimierter IT-Kernsysteme, die tiefgreifende Integration der Barcode-Technologie sowie die Nutzung von Internet und mobilen Endgeräten. Und auch die kommenden Meilensteine der digitalen Evolution hat Dachser fest im Blick: Im Rahmen einer Digitalisierungsstrategie untersucht und nutzt Dachser bei Bedarf u.a. die Möglichkeiten durch BigData & Predictive Analytics, Sensortechnologien & Internet of Things (IoT) sowie Künstliche Intelligenz und selbstlernende Systeme. Auch die weitere Digitalisierung der operativen und administrativen Prozesse aller Geschäftsfelder steht für Dachser im Fokus.

Zukunftsfähigkeit und Ausrichtung auf kommende Generationen sind beim Familienunternehmen Dachser fest verankert. Dachser hat seit seiner Gründung die Zukunft immer als Chance verstanden. Unsere dezidiert werteorientierte Unternehmensführung bildet dabei einen Dreiklang von Strategie, Struktur und Kultur.

Welche Prognose haben Sie für 2021? Trends? Geschäftsentwicklung?

Prognosen lassen sich vor dem aktuellen Hintergrund schwer treffen. Aber Dachser geht optimistisch in das zweite Halbjahr, wir erwarten eine weitere Normalisierung und Erholung der Mengen in Europa. Voraussetzung dafür ist, dass die Corona-Pandemie unter Kontrolle bleibt und es zu keinen erneuten, umfassenden Geschäftsschließungen oder sogar Lockdowns kommt. Insgesamt steuert Dachser nach wie vor sicher und stabil durch die Krise. Das Vertrauen, das wir bei den Kunden gewonnen haben, trägt dazu bei. Allen Unsicherheiten zum Trotz bereiten wir uns auf ein belebtes Herbstgeschäft vor. Im Fokus steht dabei die Aufrechterhaltung der hohen Qualität. Dafür wurden zusätzliche Kapazitäten geschaffen. 

Der asiatische Markt hat inzwischen wieder Fahrt aufgenommen. Deshalb rechnet Dachser Air & Sea Logistics auch in diesem Jahr mit einer Peak Season und insbesondere mit steigenden Tonnagen aus China und Hongkong. Da die Kapazitäten am Markt im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gesunken sind und die Passagier-Airlines ihre Netzwerke in diesem Jahr kaum mehr aufstocken werden, hat sich Dachser erneut eigene Netzwerkkapazitäten gesichert und im September einen eigenen, wöchentlichen Charterverkehr von Hongkong nach Frankfurt an den Start gebracht. Über das European Logistics Netzwerk kann Dachser die europaweite Distribution der Waren ab Frankfurt übernehmen.

Für Österreich sehen wir positive Aufholeffekte. Daher hoffen wir, das Gesamtjahr in Summe mit ähnlichem Aufkommen abzuschließen wie 2019.

Das Interview erschien in gekürzter Version bei der internationalen Wochenzeitung Verkehr unter: https://www.verkehr.co.at/

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