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Papierstau in der Lieferkette

Wie Frachtbriefe aus Papier auch 2023 noch den Welthandel bremsen. Im Gastkommentar für den KURIER gibt Michael Rainer, Managing Director von DACHSER Air & Sea Logistics East Europe and Austria, Einblick in die Digitalisierung der See- und Luftfracht.

Michael Rainer, Managing Director von DACHSER Air & Sea Logistics East Europe and Austria.

Als 2010 der Vulkan Eyjafjallajökull ausbricht, fallen 100.000 Flüge aus. Fracht im Wert von fast 50 Milliarden Euro staut sich. Logistiker sind gefordert, schnell alternative Kapazitäten in unbekannte Handelsrouten zu identifizieren und buchen, wie auch in der Pandemie oder dem Ukraine-Krieg. Was jetzt zählt, sind relevante Informationen einer Fracht möglichst schnell mit neuen und bestehenden Lieferpartnern austauschen zu können. All das, was in den bis zu 50 Seiten des Frachtbriefes steht. Doch durch die stornierten Flüge kommen keine physischen Handelsdokumente, also Frachtbriefen aus Papier an ihre Bestimmungsorte. Denn so funktioniert auch 2023 immer noch der Seehandel.

Auf physische Übertragung von Papierunterlagen angewiesen

30 Jahre nach dem „Start“ des Internets und 25 Jahre nach der Etablierung rein digitaler, grenzüberschreitender E-Commerce-Prozesse ist die Handelsdokumentation per Schiff immer noch auf die physische Übertragung von Papierunterlagen angewiesen und zu 99 % manuell. Es dauert rund sechs Stunden oder länger, wenn bis zu 30 verschiedene Personen den Dokumentationsprozess einer Seefracht bearbeiten, bis sie als Luftexpresssendung physisch vom Ursprungsort zum Bestimmungsort transportiert werden. Kommen keine Flüge, bleiben Tausende Container mit fehlenden Dokumenten in Häfen liegen. Zollbehörden wie Seeterminal-Betreiber können unverifizierte Ladungen nicht freigeben. Es entsteht ein folgenschwerer Stau, der von Umsatzeinbußen und höheren Kosten für Versender, bis zu einem totalen Wertverlust führen kann, wenn etwa Saisonware ihr Lieferdatum verfehlt.

Während die Banken- und Luftfahrtindustrie digitale Standards implementiert haben, die automatisierte Handelssysteme ermöglichen, wird in der Schifffahrt immer noch gestempelt, kopiert und unterschrieben. Obwohl seit über 25 Jahren mehrere elektrische und gut funktionierende Frachtbriefe existieren, werden nur 1 % aller Frachtbriefe elektrisch versandt. Unterschiedliche Interessen der involvierten Stakeholder blockieren die breite Digitalisierung des Frachtbriefs. Immerhin wurden Daten- und Prozessstandards für die Übermittlung von Versandanweisungen und die Ausstellung des Frachtbriefs bereits durch die Digital Container Shipping Association (DCSA) festgelegt und von 9 Branchenriesen akzeptiert, die 70 Prozent des Containerhandels ausmachen. Bis dahin kommt es weiterhin zu einem kolossalen Lieferkettenstau, fallen Flüge länger aus.

Dabei können diese Komplikationen durch eine transparente und zugängliche digitale Dokumentation vermieden werden können. Wie Untersuchungen zeigen, könnte die Einführung eines elektronischen Frachtbriefs zu direkten Kosteneinsparungen für alle Beteiligten führen, die sich auf 6 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Spediteure könnten Vorteile in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr erzielen, wie z. B. eine direktere Interaktion mit Verladern sowie optimierte und digitalisierte Arbeitslasten, die zu Kosteneinsparungen führen. Worauf wollen wir warten?

Dieser Gastkommentar wurde im KURIER im Dezember letzten Jahres veröffentlicht.

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