„Ich war immer neugierig“
Seit Oktober 2019 leitet COO Air & Sea Logistics Edoardo Podestà das globale Luft- und Seefrachtgeschäft von DACHSER. Als in Asien lebender Italiener ist er mit vielen Kulturen vertraut und hat in verschiedenen Führungspositionen auf internationalem Parkett Erfahrungen gesammelt.
Herr Podestà, Sie sind in Italien geboren, haben Ihre Logistikkarriere jedoch in Spanien in der Reederei Ihres Onkels begonnen. Was hat Sie bewogen, in das Logistikgeschäft einzusteigen, und was führte Sie nach Asien?
Am Anfang war alles Zufall. Ich habe mein Studium an der Universität abgebrochen – ich wollte raus, arbeiten und die Welt entdecken. Meine Familie betrieb eine Reederei, bereits in der vierten Generation. Contship, das mittelständische Unternehmen meines Onkels, besaß eigene Containerschiffe und sogar einige Häfen und Terminals in Italien und Europa, kümmerte sich also mehr um den Transport an sich als um die Logistik. Als ich dort anfing, wusste ich deshalb nicht viel über Logistik.
Nach einem Jahr stellte ich fest, dass mir die Branche lag und mir die Arbeit Spaß machte. So beschloss ich, beim Reedereiwesen zu bleiben und ein paar Monate später als Trainee nach Großbritannien in die Zentrale zu gehen, um mich auf meine berufliche Weiterentwicklung als Führungskraft im Ausland vorzubereiten. Damals war ich 27 und sehnte mich immer noch danach, die Welt zu bereisen. Ursprünglich sollte ich in die USA gehen, aber dann begann das Geschäft in der Asien-Pazifik-Region zu boomen, und ich entschied mich für Singapur, wo ich Anfang der Neunziger hinzog. Geplant war, dort ein Jahr zu bleiben und dann nach Europa zurückzukehren. Letztlich wurde daraus das erste von inzwischen über 31 Jahren in Asien.
Warum haben Sie das familiengeführte Unternehmen, in dem Sie Ihre Laufbahn begonnen haben, verlassen?
Mein Onkel starb, und einige Jahre später beschloss die Familie, das Unternehmen zu verkaufen. Für mich war klar: Ich wollte nicht für einen Wettbewerber arbeiten, also wandte ich mich an Speditionen und landete schließlich bei Züst Ambrosetti. Ich ging zurück nach Malaysia und eröffnete dort 1996 ihre erste Niederlassung. Ich kam aus der Seefracht und musste mich nun erstmals mit der Luftfracht auseinandersetzen. Zudem stellte mich die Finanzkrise in Asien vor große Herausforderungen. Nach kaum zwei Jahren als Chef von 17 Mitarbeitenden bat mich das Unternehmen, die Verantwortung für 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Chinageschäft in Hongkong zu übernehmen. Das war mein nächster großer Schritt und bedeutete viel „Learning by doing“. Ich bin überzeugt, dass mich diese Erfahrung letztlich zu einer besseren Führungskraft und zu einem besseren Mentor gemacht hat.
Ab der Übernahme von Züst Ambrosetti haben Sie für DACHSER weitergearbeitet.
Ja, das Chinageschäft wuchs, DACHSER bot mir die Chance, Managing Director of Greater China zu werden und schließlich die Verantwortung für die gesamte Business Unit APAC zu übernehmen. In diesen Jahren ist DACHSER Air & Sea Logistics stark gewachsen, gemeinsam mit dem gesamten Unternehmen. Mein Ziel war stets der erfolgreiche Ausbau des Geschäfts, nie der persönliche Aufstieg in der Karriereleiter. Das passierte einfach. Manchmal muss man einfach der Richtige zur rechten Zeit am rechten Ort sein.
Seit Oktober 2019 leitet COO Air & Sea Logistics Edoardo Podestà das globale Luft- und Seefrachtgeschäft von DACHSER.
Wie ist es, einziges Mitglied des Executive Board mit Dienstsitz außerhalb von Kempten zu sein?
Natürlich nehme ich eine gewisse Sonderstellung ein. Ich spreche kein Deutsch und habe meinen Sitz nicht in der Unternehmenszentrale in Kempten. Die größte Herausforderung ist derzeit die COVID 19-Pandemie. Gedacht war eigentlich, dass ich viel nach Kempten reisen würde. Aber mit der Pandemie haben wir alle gelernt, wie man aus der Ferne agiert. Andererseits vermissen wir alle sehr den menschlichen Touch.
Sie führen Menschen auf vier Kontinenten. Was ist Ihnen wichtig? Wie sorgen Sie dafür, dass das funktioniert?
Vertrauen. Vertrauen ist das Wichtigste, wenn man Personalverantwortung hat. Vertrauen entsteht durch Ehrlichkeit, Kompetenz und eine bestimmte Einstellung. Wichtig ist, den Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, zu vertrauen. Denn je größer das Vertrauen, desto mehr delegiert man, und je mehr man delegiert, desto eigenverantwortlicher fühlen sich die Menschen und desto besser arbeiten sie.
Das gilt umgekehrt natürlich genauso. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mir und den Entscheidungen des Unternehmens ebenso vertrauen.
Was war Ihr größter Erfolg in Ihrer Karriere? Gibt es mit Blick auf die nahe Zukunft der Air & Sea Logistics noch Meilensteine, die Sie erreichen wollen?
Es gab sicher viele kleine Erfolge in meiner Laufbahn, auf die ich stolz bin. Der größte ist natürlich die Ernennung zum Mitglied des DACHSER Executive Board. Mehr kann ich mir nicht wünschen. Meine Aufgabe ist es nun, die Transformation der Air & Sea Logistics in einen Eckpfeiler innerhalb von DACHSER und einen einflussreichen Akteur auf unseren relevanten Märkten zu vollenden.
Herzlichen Dank für das Gespräch.