Zurück
Magazinarchiv

Fliegen ohne CO₂ - Zukunftstechnologien im Check

In der Luftfahrt bieten Sustainable Aviation Fuels (SAF) die derzeit beste Möglichkeit, CO₂- und Treibhausgas-Emissionen deutlich zu reduzieren. Eine vielversprechende Technologie, die via Book & Claim-Verfahren jedem offen steht.

Im Rahmen der Serie „Aus dem Zukunftslabor“ werden Ergebnisse aus dem Bereich Corporate Research & Development präsentiert, die in enger Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachbereichen und Niederlassungen sowie dem DACHSER Enterprise Lab am Fraunhofer IML und weiteren Forschungs- und Technologiepartnern entstanden sind.
Im Rahmen der Serie „Aus dem Zukunftslabor“ werden Ergebnisse aus dem Bereich Corporate Research & Development präsentiert, die in enger Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachbereichen und Niederlassungen sowie dem DACHSER Enterprise Lab am Fraunhofer IML und weiteren Forschungs- und Technologiepartnern entstanden sind.

Sustainable Aviation Fuels (SAF) ist ein Oberbegriff für klimafreundliches Flugkerosin, das von am Markt eingesetzten Flugzeugen in der Regel ohne Einschränkungen verwendet werden kann. Der Einsatz von SAF kann perspektivisch die betriebsbedingten Emissionen von Treibhausgasen (THG) eines Flugzeuges bilanziell auf nahezu null reduzieren. SAF gilt damit – neben Effizienzmaßnahmen – als eine der Schlüsseltechnologien für die Luftfahrt, um das Ziel von Netto-Null-Emissionen bei Langstreckenflügen zu erreichen. Noch ist dies aber Zukunftsmusik, wenngleich SAF schon heute vereinzelt zum Einsatz kommt und Forschung und Entwicklung in diesem Bereich mit Nachdruck vorangetrieben werden.

Das Grundprinzip der Klimafreundlichkeit von SAF beruht auf der Verrechnung der bei der Verbrennung im Düsentriebwerk nach wie vor entstehenden Treibhausgas-Emissionen mit dem Herstellungsverfahren des Kraftstoffs. Für die Produktion von SAF werden pflanzliche oder synthetische Basisstoffe verwendet, die ihrerseits durch biologische oder künstliche Prozesse Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen haben. Die Mengen des so zuvor gebundenen CO₂ ergeben dann die Treibhausgas-Minderungen im Vergleich zur Nutzung von herkömmlichem fossilen Kerosin. Es entsteht ein sogenannter geschlossener Kohlenstoffkreis.

Wie hoch die THG-Einsparungen heute und in Zukunft ausfallen, hängt von verschiedenen technologischen Aspekten ab. Die derzeit für die meisten Flugzeuge zugelassenen SAF-Kraftstoffe dürfen momentan aus technischen Gründen maximal bis zu 50 Prozent dem klassischen Kerosin beigemischt werden. Dies halbiert das theoretische THG-Einsparpotenzial für ein Flugzeug. In Forschungsprojekten und Tests wird an höheren Beimischungsquoten gearbeitet, um in den kommenden Jahren einen höheren Anteil zu ermöglichen.

Sprit aus Abfall

Derzeit am meisten verwendete SAF-Kraftstoffe basieren auf pflanzlichen Ölen, Abfall und Lipiden und werden mittels katalytischer Reaktion unter Zugabe von Wasserstoff in Kohlenwasserstoff umgewandelt. Diese sogenannten Hydroprocessed Esters and Fatty Acids (HEFA) sind vom Herstellungsverfahren und den Grundstoffen ähnlich den Hydrogenated Vegetable Oils (HVO), die als biologischer Dieselkraftstoff für Lkw und Lokomotiven genutzt werden können. Aus Nachhaltigkeitsaspekten ist dabei relevant, dass möglichst die Vorgaben für fortschrittliche Biokraftstoffe gemäß der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) der Europäischen Union eingehalten werden. Demnach sollten also statt Ölen aus Lebensmittelpflanzen vor allem pflanzliche Abfallöle sowie tierische und pflanzliche Abfälle zum Einsatz kommen. Führende europäische SAF-Hersteller wie Neste betonen, ausschließlich solche Biomasse zu verwenden. Da bei der Herstellung von Biomasse immer Restemissionen von Treibhausgasen entstehen, liegt das Potenzial von HEFA-SAF zwischen 50 bis 80 Prozent THG-Reduktion gegenüber herkömmlichem Kerosin, unter der Annahme, dass hundert Prozent SAF zum Einsatz kommen könnten. Die Kosten je vermiedener Tonne Kohlendioxidäquivalente (CO₂e) liegen bei diesem SAF-Kerosin ohne staatliche Subventionen zwischen 800 und 1.000 Euro.

Das mögliche THG-Einsparpotenzial durch fortschrittliche Verfahren wie "Biomass to Liquids" liegt zwischen 60 und 90 Prozent.

Künftig soll Biomasse vermehrt durch fortschrittliche Verfahren wie „Biomass to Liquids“ (BtL) zu SAF verarbeitet werden. Hier können vor allem verschiedene Reststoffe aus der Holz- und Forstwirtschaft genutzt und zu Flugkerosin umgewandelt werden. Das mögliche THG-Einsparpotenzial liegt zwischen 60 und 90 Prozent. Noch sind diese Verfahren um rund 25 Prozent kostenintensiver als HEFA und finden deshalb noch kaum Anwendung. Aufgrund der künftig benötigten Mengen an SAF wird dieser Herstellungsmethode aber viel Potenzial bescheinigt.

Nachhaltige Kraftstoffe reduzieren die CO₂-Emissionen von Flugzeugen.
Nachhaltige Kraftstoffe reduzieren die CO₂-Emissionen von Flugzeugen.

Gesetzliche Vorgaben

Neben Biomasse soll zukünftig auch Strom aus erneuerbaren Energien als Basis für SAF dienen. Über das Verfahren Power to Liquids (PtL) wird Strom via Elektrolyse in Wasserstoff und dieser unter Zugabe von CO₂ in Kohlenwasserstoffketten mit Kerosin-Eigenschaften umgewandelt. Das CO₂ stammt entweder aus Biomasse oder wurde technisch der Atmosphäre entzogen. Mit der
PtL-Technologie lassen sich THG-Reduzierungen im Flugbetrieb von nahezu hundert Prozent erreichen. PtL-SAF ist heute noch deutlich teurer als HEFA und wird derzeit nur in wenigen Kleinstproduktionsanlagen hergestellt.

Die gesetzlichen Rahmenvorgaben der EU sehen vor, in den kommenden Jahren den Anteil von SAF bei der Vertankung in europäischen Flughäfen Schritt für Schritt zu erhöhen. So soll der Anteil von heute unter einem Prozent auf zwei Prozent bis 2025 ansteigen und dann schrittweise bis 2050 auf etwa 63 Prozent, so schreibt es der Entwurf der ReFuelEU Aviation Verordnung vor. Der PtL-Anteil am SAF-Anteil soll 2030 etwa 0,7 Prozent, 2040 etwa acht Prozent und 2050 dann 28 Prozent betragen. Wie die Zielvorgaben der EU zeigen, ist aber mit einem signifikanten SAF-Anteil im europäischen Flugverkehr erst ab 2040 zu rechnen. Dabei sollen sowohl Biomasse als auch strombasierte Verfahren (PtL) Verwendung finden.

Privatpersonen und Unternehmen, die schon heute einen Beitrag leisten möchten, den Anteil von SAF im Flugverkehr zu erhöhen, können gegen einen Aufpreis bei einigen Airlines und Speditionen Flüge mit SAF-Nutzung buchen. Dabei wird aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen das SAF nicht immer genau in das Flugzeug vertankt, mit dem der Passagier, bzw. die Luftfracht tatsächlich fliegt. Vielmehr wird durch ein SAF-Zertifikatskauf eine Einspeisung von SAF in das Betankungssystem einer Airline oder eines Flughafens ausgelöst. Durch ein anerkanntes Prüfverfahren wird sichergestellt, dass der THG-Einspareffekt durch das SAF tatsächlich stattfindet und nur einer Airline und einem Kunden in der Klimabilanz angerechnet wird. Mittels dieses Book & Claim-Ansatzes ist es jedem möglich, einen wertvollen Beitrag zum Technologiewandel und zum Klimaschutz in der Luftfahrt beizutragen. Diese Vorgehensweise wird auch als „Insetting“ bezeichnet und ist vom Grundprinzip her mit dem Markt für erneuerbaren Strom und dem Handel mit Herkunftsnachweisen vergleichbar. Auch DACHSER wird auf Basis des Book & Claim-Ansatzes zusammen mit Kunden in 2023 erste SAF-Projekte starten.

Autor: Andre Kranke, Head of Corporate Research & Development bei DACHSER

DACHSER weltweit
Kontakt aufnehmen